
nachdem ich in den letzten Ausgaben über aktuelle Ereignisse (MOMENT.-Mühlentour) geschrieben habe, wollte ich mal wieder was Geschichtliches bringen. Die Geschichte der Windmühle wäre ein interessantes Thema. Da ich selbst nicht dabei war, war ich auf die Aussagen von Fachbüchern angewiesen. Aber – 5 Bücher = 5 verschiedenen Auslegungen der geschichtlichen Daten. Da waren sie wieder, meine 3 Probleme (Quellenwahl, Objektivität und Logik). Letzten Endes habe ich mich für das Buch von Wolfgang Kuhlmann, „Die Getreidemühle in Legenden und Fakten“, entschieden. Es erschien mir als am besten recherchiert.
Hier meine kurze Zusammenfassung:
Über die erste Erwähnung der Windmühlen streiten sich die Gelehrten.
Halbwegs belastbare Beweise über die Existenz von Windmühlen gibt es ab dem 10. Jh. Nach der in Paris aufbewahrten Handschrift des al-Masudi-Textes mehrten sich die Hinweise auf Windmühlen in der Region Sistan (heute Grenzgebiet zwischen Afghanistan, Irak und Pakistan). Er schreibt: „Das Land der Winde und des Sandes genannt, in dem der stetig starke Wind wehe, so dass sich dieses Land dadurch auszeichne, dass in ihm der Wind die Mühlen dreht.“
1271 beschreibt der arabische Kosmograph al-Dimashqi eine Windmühle mit senkrechtem Antrieb unter (!) einemMühlstein. Als Weiterentwicklung sind wohl die persischen Horizontalwindmühlen zu sehen, welche bis Mitte des 20. Jh. in Betrieb waren. (Nach einem Artikel im Fachblatt „Deutsche Müller Zeitung“ aus dem Jahr 1961 (Heft 6, Seite 140) waren damals in Afghanistan noch 136 dieser Mühlen im Betrieb, 1970 gab es keine mehr.)
Die ersten zuverlässigen Hinweise auf eine Windmühle in Europa gehen auf eine englische Urkunde um 1180 zurück. Hierbei handelt es sich, nach derzeitigem Erkenntnisstand um eine Bockwindmühle. Die erste Windmühle in Deutschland stand in Köln, der damals größten deutschen Stadt. Dort ist in den damaligen Grundbüchern 1222 vermerkt worden: „… das Gelände im Berlach (Gebiet am Rand der nördlichen Mauer) wo Marcmannus und seine Ehefrau Irmegardis nahe der Windmühle (ein Haus) gebaut haben.“ Dieser Mühlentyp verbreitete sich schnell in ganz Europa. Er war durch seine Anpassung an die Windrichtung leistungsstark und relativ günstig zu erbauen.
Die Erfindung der Turmwindmühle mit drehbarer Haube wird oft Leonardo da Vinci im Jahr 1502 zugesprochen.
Jedoch kann man bei den ersten Hinweisen auf Windmühlen im 14.Jh, die keine Bockwindmühlen waren, von Turmwindmühlen mit drehbarer Haube ausgehen. Dazu zählen die Mühlen von Kalkar (vor 1319) und Uedem (1320) (Rheinland). Auf der griechischen Insel Kreta sind Windmühlen 1328,1349 und 1367 belegt. Die Mono-Mairos-Windmühlen (ohne drehbare Haube, in Hauptwindrichtung gebaut) von Kreta sind keine Vorgänger der Windmühlen mit drehbarer Haube, sondern stellen eine zeitgleiche kostengünstige Entwicklungsrichtung dar.
Der italienische Arzt und Techniker Guido van Igevano beschreibt 1335 einen Kampfwagen, der „ohne Tiere vom Wind angetrieben mit Wucht durch flache Felder rast und jedes Heer verwirre.“ Weiter schreibt er, „…dass ein Mann (Fahrer) die Haube mit einer spatula (=Stange) drehen kann, wie man es bei Windmühlen macht.“ Der Wagen wurde niemals gebaut. Der Kreuzzug, in dem der Wagen eingesetzt werden sollte, fand nicht statt. Ob er jemals lief, ist ungewiss.
1424 verfasst der in Italien lebende deutsche Ingenieur Konrad Grunter von Werden in seinem Buch „Über Maschinen und Mechanik“ eine Beschreibung von Windmühlen mit drehbarer Haube (und nur der Haube) auf einem Steinturm.
Um 1490 wurden in Italien durch den Ingenieur und Künstler Francesco di Giorgio Martini Zeichnungen und Detailstudien zu zahnradgetriebenen Antriebswerken, darunter auch eine drehbare Windmühlenhaube, veröffentlicht. Hierbei befand sich die gesamte Mühlentechnik in der drehbaren Haube. Dieses setzte sich jedoch nicht durch und ist seit 1500 wieder verschwunden.
Der „neueste Windmühlentyp“ ist die Paltrockmühle. Sie besteht aus einem hölzernen Mühlengebäude, ähnlich der Bockwindmühle, das über Rollen auf einen in Bodenhöhe liegenden Rollenkranz gelagert ist und somit das ganze Mühlengebäude gedreht werden konnte. Durch den Wegfall von Bock und Hausbaum konnte wesentlich mehr Platz in der Mühle gewonnen werden. Die erste Paltrock-Mühle ist um 1600 nachgewiesen. Ihre größte Verbreitung hatte sie jedoch von 1887 bis ca. 1930 durch den Umbau von Bockwindmühlen in Paltrockmühlen. In Thüringen sind keine Patrockmühlen erhalten. In Sachsen gibt es noch einige gut erhaltene bis funktionstüchtige Exemplare. Diese werden wir uns 2017 zur MOMENT.-Mühlentour etwas näher ansehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die einzelnen Mühlentypen ständig weiterentwickelt. So passten sich die Flügelform und der Flügelaufbau den örtlichen Gegebenheiten an. Über Segeltuch, Türen bis hin zu fliegkraftgesteuerten Jalousieflügeln gab es einen ständigen Fortschritt. Die Erfindung der Windrose zur automatischen Windausrichtung der Flügel (1745) war eine wesentliche Erleichterung für den Müller. Mit der Nutzung anderer Energieformen (Dampf, Diesel, Elektrizität) als ständig in großen Mengen verfügbaren Energiequellen verloren die Windmühlen an Bedeutung. Heute werden sie nur noch vereinzelt genutzt. Dennoch stellen sie als technische Denkmale die Entwicklung der Windmühlen dar. Sie zu erhalten ist eines der wichtigsten Anliegen des Thüringer Landesvereins für Mühlenerhaltung und Mühlenkunde e.V.
Frank Blaß
Vorstandsmitglied des Thüringer Mühlenvereins für Mühlenerhaltung und Mühlenkunde
Alle Fotos: Frank Blaß