
… ein Schritt in Richtung unbegrenzter Kausalität?
Im Jahr 2011 brannte ein Gebäude im Zentrum von Quedlinburg nach Dachdeckerarbeiten ab. Der von den Eigentümern beauftragte Handwerker hatte Heißklebearbeiten ausgeführt. Hierbei entstand ein Glutnest unter den Dachbahnen, woraufhin das Gebäude vollständig abbrannte und auch am Nachbarhaus ein erheblicher Schaden entstand. Die Versicherung des Nachbarhauses regulierte den Schaden der Nachbarn und verlangte dann von den Erben der inzwischen gestorbenen Eigentümer und Auftraggeber des Dachdeckers knapp 98.000 Euro. Beim inzwischen insolventen Handwerker war nämlich nichts zu holen.
In den ersten beiden Instanzen hatte die Versicherung keinen Erfolg. Landgericht und Oberlandesgericht urteilten, dass die Hauseigentümer bei der Auswahl des Handwerkers nichts verkehrt gemacht haben und deshalb nicht für den eingetretenen Schaden am Nachbarhaus haften. Auch über nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche konnte die Versicherung nichts erlangen, da die Gerichte feststellten, dass die Eigentümer mit der sorgfältigen Auswahl des Handwerkers alles ihrerseits Erforderliche getan hatten, um das Risiko eines Brandschadens auszuschließen. Sie hätten ihn weder beaufsichtigen müssen, ihm Weisungen zur Arbeitsausführung erteilen oder ihm die Wahl des Klebeverfahrens vorschreiben können.
Der Bundesgerichtshof sah dies nun in dritter Instanz (Urteil vom 09.02.2018 zu Az. V ZR 311/16) gänzlich anders. Der Grundstückseigentümer muss demnach doch für Brandschäden am Nachbarhaus haften, die durch Arbeiten an seinem Dach entstanden sind. Auf ein Verschulden komme es dabei nicht an. Der Anspruch auf einen nachbarrechtlichen Ausgleich sei hier gegeben, da von dem Grundstück eine rechtswidrige Einwirkung – nämlich das Feuer – auf das Nachbargrundstück ausgeht, die der Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss und nicht unterbinden kann.
Die Beeinträchtigung muss auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgehen. Laut Gericht war dies der Auftrag zur Reparatur des Daches an den Handwerker, der wiederum den Brand verursacht hat. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Auftraggeber bei der Auswahl des Handwerkers Sorgfaltspflichten verletzt habe.
Diese Entscheidung des BGH und neue Richtung der Rechtsprechung darf kritisch gesehen werden, da sie erhebliche Risiken birgt. Ein Hauseigentümer kann praktisch nie genug tun, um aus der Haftungsfalle zu gelangen.
Katja Giese
Dipl.-Wirtschaftsjuristin (FH)
für FHR Rechtsanwälte in Mühlhausen